9. Kapitel
Ich habe deine Nachricht erhalten, Clanführer, und bin hergekommen, so schnell ich konnte.«
Alexander erhob sich langsam von seinem Schreibtisch. Er musterte den jungen Vampir mit unbewegter Miene. »Deine Eile war unnötig, Peter. Ich wollte dir lediglich eine Einladung überreichen.«
Peters Augen schienen einen Moment lang glasig zu werden, und er schüttelte den Kopf, als wolle er seine Gedanken klären. »Eine Einladung, Clanführer?«
»Ja.« Alexander schob einen Umschlag über den Tisch. »Lord Bruce hat mich gebeten, ihm bei der Verteilung einiger Einladungen behilflich zu sein. Es geht um eine Dinnerparty, die seine charmante Gattin veranstalten möchte. Ein intimes Dinner, nur ein paar ausgewählte Gäste.«
Verblüfft nahm Peter die Einladung an sich. »Ich fühle mich sehr geehrt, Clanführer.«
Alexanders Lächeln reichte nicht bis zu seinen Augen. »Es ist eine Einladung für zwei. Du darfst eine Begleitung deiner Wahl mitbringen. Aber wie gesagt, es ist ein intimes Dinner, und Lord Bruce möchte niemanden beleidigen. Ich bitte daher um Diskretion.«
»Selbstverständlich«, antwortete Peter. »Dürfte ich mich vielleicht nach dem Anlass erkundigen?«
»Die Feiern zu Ehren der Auserwählten waren großartig, aber es waren alle sehr umfangreiche, aufwändige Veranstaltungen. Aus diesem Grunde haben meine Frau und Lady Bruce beschlossen, ein etwas intimeres Dinner zu veranstalten, um einige der Clanmitglieder besser kennen zu lernen.«
»Es ist mir eine große Ehre!«, erklärte Peter. Als er merkte, dass Alexander nichts mehr hinzuzufügen hatte, beeilte er sich zu sagen: »Dann darf ich mich jetzt verabschieden?«
Alexander nickte. »Denk dran, es bleibt unter uns. Nur deine Begleitung darf natürlich davon erfahren.« Alexander nahm wieder hinter seinem Schreibtisch Platz. Doch kaum hatte der junge Vampir die Tür hinter sich zugezogen, stand er auf und öffnete eine Tür, die zu einem Nachbarzimmer führte.
»Musstest du sie so nahe heranbringen?«, fragte er verärgert. Patrick, der nun mit Angelica am Arm das Studierzimmer betrat, blieb ungerührt.
»Sie bestand darauf. Außerdem spielt es keine Rolle. Selbst wenn Peter ihren Geruch aufgefangen haben sollte - was ist natürlicher, als dass die eigene Gattin im Nebenzimmer sitzt? Und stickt, oder etwas Ähnliches?«
Angelica hob die Braue. »Sticken? Ich? Du leidest unter Geistesverwirrung, Patrick.«
Alexander nahm mit einem schweren Seufzer hinter seinem Schreibtisch Platz. »Könnten wir zum Thema kommen? Hat er etwas mit ihnen zu tun, Angelica?«
Angelica war die stärkste Gedankenleserin, die der nördliche Clan besaß, wenn nicht sogar alle vier Clans. Daher war sie dazu auserwählt worden, die Vampire, die zu diesem »speziellen« Treffen mit Alexander eingeladen worden waren, zu durchleuchten.
»Nein, nichts. Er hat noch nie von den Wahren Vampiren gehört und hegt keinerlei Ressentiments den Auserwählten gegenüber.«
Angelica war frustriert. Nicht dass sie sich wünschte, Peter würde Mordpläne gegen ihre Familie schmieden, aber irgendjemand tat es nun mal. Und es wäre eine Erleichterung gewesen zu wissen, wer hinter den Anschlägen steckte.
»Es gefällt mir gar nicht, dass du das tust«, erklärte Alexander zum x-ten Mal, seit sie auf diesen Plan verfallen waren.
Angelica ging zu ihrem Mann hinüber und nahm sein Gesicht in ihre Hände. »Ich weiß, aber ich muss es tun; und du weißt das auch«, sagte sie sanft und schaute ihm dabei tief in die Augen.
Alexander nickte widerwillig. Er wusste, dass seine Frau die Einzige war, die die Gedanken von Vampiren lesen konnte, ohne dass diese es merkten. Wenn er oder Patrick - ebenfalls äußerst begabte Gedankenleser - einen solchen Versuch unternommen hätten, hätten die Betreffenden starke Kopfschmerzen bekommen, und die ganze Sache wäre sofort aufgeflogen.
»Ich wünschte nur, wir hätten etwas herausgefunden.«
»Mach dir keine Sorgen, Angelica«, sagte Patrick, der vor einem der hohen Terrassenfenster stand, »das war die letzte Einladung. Glaub mir, die Wahren Vampire werden sich darum reißen, sobald sie Wind von dieser Dinnerparty bekommen.«
»Aber wieso sollten sie zu diesem Dinner kommen wollen? Du und Alexander und viele loyale Clansmänner werden ebenfalls dabei sein. Ein Anschlag wäre reiner Selbstmord.«
»Ich sagte ja auch nicht, dass sie einen Anschlag planen werden, Angelica. Nein, aber sie werden teilnehmen wollen, und sei es auch nur, um den Feind besser kennen zu lernen.«
»Aber wenn es uns gelingt, einen von ihnen zu enttarnen, wird das denn genügen?«, fragte Angelica in einem für sie ungewöhnlich mutlosen Ton.
Alexander schlang den Arm um seine Frau. »Bald ist alles vorbei, Liebling. Und Mikhail wird die Kinder zu uns zurückbringen. Bald, Angelica.«
In diesem Moment kam Violet ins Zimmer gestürzt. Zitternd eilte sie auf ihren Mann Patrick zu. »Es ist Kiril, er ist auf dem Weg hierher! Ich kann ihn riechen, er wird gleich da sein.«
Die Köpfe der beiden Männer fuhren zu den Terrassentüren herum, die auf den weitläufigen Vorgarten und das hohe Eingangstor wiesen.
Diesmal schaute Violet Angelica an. »Mikhail ist nicht bei ihm. Und unsere Kinder auch nicht«, stieß sie verzweifelt hervor.